Diese Kritik der MINKS-Inszenierung von SHAKESPEAREs ‚Komödie der Irrungen‘ am HÜBNER-Theater, Bremen (erschien in DIE ZEIT, 31.1.1969), ist Vorläufer zur anschließenden Distanzierung von der Klassikerrezeption der Schaubühne. Vgl. speziell zu diesem Vermittlungsaspekt ‚Der künstlerische Avantgardist als gesellschaftlicher Reaktionär‘ (in Band I, Teil 1, 10)
6.1 Theater und Publikum
Die Mannschaften raufen. Die Situation wird unübersichtlich. Ein Knäuel von Spielern um den Ball. Hickhack, aus dem sehr leicht gefahrliche, weil unkontrollierbare Aktionen hervorgehen können. Da fährt einer dazwischen, mitten rein in die Bagage, zieht lang ab und drischt das Leder übers Feld irgendwohin. Aufatmen: "Na endlich, Mensch."
Obwohl solcher Beitrag nicht unmittelbar in die Logik des Spiels paßt, obwohl dieser Schlag nicht zielausgerichtet ist, ja geradezu als willkürlich angesehen werden kann, wird seine Bedeutung für das Spiel auf eindeutige Weise manifest in seinem sportsprachlichen Ausdruck: er klärt, er hat geklärt.
In den Problemlösungsversuchen, die wir hier anstellen, sollte die Technik des Befreiungsschlages, des Ausputzens und Klärens stärker berücksichtigt werden.
Meine Ambitionen gehen nicht aufs Toreschießen, sondern aufs Klären.
Wenn ich jetzt versuche, im Fall der Bremer Theateravantgarde zu klären, so ist zu berücksichtigen, daß ich nicht ins Schwarze zu treffen beabsichtige.
Das Bremer Theater gilt als eines der für die Entwicklung des Produktivmittels Theater wichtigsten in Deutschland. Ich meine das auch in folgendem Sinn: an den Produktionen des Bremer Theaters läßt sich über den Stand der Entwicklung etwas ausmachen. Die Situation der Bremer Theateravantgarde ist objektivierbar zur Situation aller heutigen Arbeit im Theater. Da ich auch im Produktionsbereich Theater arbeite, objektiviert sich in diesen Überlegungen auch meine Situation.
Ich stehe nicht an zu behaupten, daß das Theater heute diejenigen Mittel und Methoden einsetzen kann, die innerhalb der ästhetischen Praxis am besten dazu geeignet sind, komplexe Sachverhalte darzustellen. Komplex heißt die gegenseitige unaufhebbare Bedingtheit aller Sozialtatbestände. Theatermänner müssen solche Bedingungen kennen. Sie müssen diese Bedingungen reflektieren und zwar - das ist entscheidend – außerhalb des von ihnen so genannten künstlerischen Ausdrucks. Diese Reflexion wird heute schon jedem Verkehrsteilnehmer abverlangt. Erst recht ist sie von Künstlern zu verlangen.
Die Bremer Theatermänner sind dazu nicht in der Lage. Das bewies eine Sonntagabendveranstaltung: MINKS erläutert seine Inszenierung von 'Komödie der Irrungen'. Bis auf die mehrfach wiederholten Beteuerungen des Regisseurs, er habe "bürgerliche Verhaltensweisen darstellen" wollen, und bis auf den Zusatz des Intendanten, "der Mensch verhalte sich ja nicht immer bloß bürgerlich, sondern auch allgemein", wurde dem Publikum des Abends nichts gesagt. Denn was doch gesagt wurde, war intellektuell noch weit unterbestimmter als das Zitierte.
MINKS versicherte glaubhaft, daß es ihm unmöglich sei, sich verbal auszudrücken.
HÜBNER gab zu verstehen, daß darin kein Nachteil liege, denn "Künstler drücken sich eben künstlerisch aus", was MINKS mit seiner Inszenierung getan habe. Abgesehen von der Falschheit dieser Annahme, blieb doch die Frage unbeantwortet, warum denn dann MINKS und das Ensemble diesen Abend veranstalten wollten.
Wenn wir im Produktionsbereich Theater nicht nur von der erzwungenen Gedankenlosigkeit des Publikums leben wollen, müssen wir über die Kläglichkeit von Äußerungen, wie es die von HÜBNER und MINKS sind, hinauskommen. Ein Avantgardetheater, dessen Mitglieder nicht einmal den allgemeinsten Stand gesellschaftlicher Rationalität in ihren Äußerungen erreichen, ist gefährlich. Ich möchte mich nicht in einen Wagen setzen, der von MINKS 'künstlerisch' und nicht verkehrstechnisch gesteuert würde. Daß Künstler zu bilden hätten und nicht zu reden, ist eine verkommene Weisheit aus anderen Tagen. Künstler, die das Maul nicht aufmachen können, sind hantierende Affen.
Ein Publikum, das vor tachistischen Bildern äußert, es handele sich wohl dabei um Affenmalerei, hat so lange recht, als sich der Künstler nicht äußert. Denn die Formen der bloß immanenten Selbstbestimmung der Künste lassen den Tachismus tatsächlich als Affenmalerei erscheinen. Aber die Zeiten der Selbstbestimmung der Künste sind dahin. Deutlich zeigen heute die Objekte der Minimal-Art, daß überhaupt keine Selbstbestimmung für ästhetisch Produziertes mehr vorliegt.
Es kommt auf die Fremdbestimmung ästhetischer Praxis an. Zu ihr haben die Bremer Theatermänner bisher nichts beigetragen. Dazu nämlich müßten sie sich auf den immer größer werdenden Zwang zur Reflexion einlassen. Sie wären zu uneinschränkbaren Verbalisierungen und Literarisierungen gezwungen, denn erst diese können Tendenzausbildung erreichen.
Die Praxis der Bremer Theatermänner ist für die zukünftige ästhetische Praxis sinnlos, solange sie tendenzlos ist, solange sie untersprachlich bleibt.
Die Bremer 'Irrungen'-Inszenierung ist eine Klassikerinszenierung. Klassische Stücke sind solche, die in die Verinnerlichungsmaschinerie gehören, der sich unsere Gesellschaft bedient, um Kinder zu sozialisieren. Jeder, der also durch Schulbesuch und Ausbildung in einem gewissen Stadium der Verinnerlichungsprozesse anlangt, wird mit den Klassikern konfrontiert. Er lernt sie kennen. Deshalb bildet jedes halbwegs normal sozialisierte Mitglied unserer Gesellschaft ein hohes Erwartungsniveau aus, das sich auf die Präsentation solcher Klassiker richtet.
Werden diese Erwartungen bei einer Klassikerinszenierung gestört, so reagiert das Publikum auf diese Störung. Die Theatermänner aber lächeln, sehen sie doch in solcher Reaktion des Publikums einen Gradmesser ihrer Kühnheit.
Das nenne ich ein Muster unserer Verblödung, denn in ihm wird der Impetus künstlerischer Arbeit zum Konditionierungsexperiment herabgewürdigt: Die Besucher reagieren hilflos wie PAWLOWsche Hunde auf jeden Entzug von Einverständnis und auf jede Störung der Erwartung.
Die Bremer Theaterarbeit hat stark den Charakter einer Zwangsvorstellung der kulturellen Vorbestimmtheit des Publikums. Anstatt andere Formen der Vermittlung und damit andere kulturelle Bestimmtheit zu erreichen, beutet sie die Präformation des Besuchers aus. Klassikerinszenierungen machen so den größten Skandal.
Wie sehen die Mittel der Erwartungsstörung aus? Sie sind Aneignungen aus anderen ästhetischen Praxisbereichen: denen des Stummfilms, der Spielrituale. In den Aneignungstechniken hat man einen weiteren Hinweis auf unsere konkretistische Verblödung zu sehen. Wohlgemerkt, die Verblödung der Avantgarde. Konkretistische Verblödung heißt, das, was geschieht, nur danach zu beurteilen, ob es 'bühnenwirksam' oder 'theatergemäß' ist oder eben nicht ist. Ist das, was im Bereich der bildenden Kunst geschieht (oder in dem der Literatur und des Films) nicht 'theatergemäß', so wird es schleunigst dazu gemacht, denn die Theateravantgardisten wollen ja nicht hinter denen des Films, der bildenden Kunst und der Literatur herhinken.
Im allgemeinen kann man dieses Aufbereiten für das Theater schlichtweg als Klauen bezeichnen. Klauen aber kann auch eine Tat sein, wenn durch das Klauen die allgemeine Verfügung über das Geklaute größer wird. Wenn also ein LICHTENSTEIN irgendeine bestimmte Form ästhetischer Praxis in die Welt setzt, und wenn jemand diese Form fürs Theater klaut, so ist dagegen solange nichts einzuwenden, als der Klauer nicht versucht, diese Form zum Ausdruck seines ganz persönlichen künstlerischen Vermögens zu machen. Sonst klaut er, um sich zu bereichern, denn "die Profilierung der künstlerischen Persönlichkeit" ist eine Bereicherung auf Kosten dessen, der diese Form produziert hat.
Der Einwand, Klauen sei eine Kategorie aus bürgerlichen Besitzverhältnissen und damit im Bereich der Künste nicht anwendbar, ist hinfallig, weil die Künstler ja gezwungen sind, ihr Leben unter den gleichen Bedingungen zu reproduzieren wie die Bürger allgemein.
Da wir immer nur Bremen sagen, wo wir auch uns selbst meinen, verweise ich zu diesem Tatbestand auf ein Beispiel außerhalb Bremens. Zehn Jahre lang wurden im Happening, im Fluxus und Agit pop Realisationsformen ästhetischer Praxis produziert, die von den Theaterleuten insgesamt nicht zum Theater in Beziehung zu bringen waren. Sie konnten diese Formen nicht bestimmen, weil sie nur als vereinzelte definierbar waren.
Als aber HANDKEs 'Kaspar' erschien, der schlichtweg aus den im Happening, Fluxus und Agit pop produzierten Einzelformen besteht, war die Begeisterung der Theatermänner groß, weil "die vereinzelten Formen nunmehr alle auf einen großen, zentralen Vorgang bezogen seien - weil sie plötzlich einen Sinn erhielten durch den Bezug zur Lebensgeschichte Kaspars". Die erzählte Geschichte von Kaspar ließ diese Formen des Happening plötzlich so "sinnvoll und verstehbar" werden.
Man sagt, auf diese Weise werde wenigstens das Publikum mit den Hervorbringungen der Happenisten vertraut gemacht. Das ist ein Entschuldigungsversuch und nichts weiter. Denn wenn dem so wäre, hätten die Beteiligten dem Publikum Hinweise darauf geben müssen (das taten nur drei Kritiker der HANDKE-Premieren). Und wenn dem abermals so wäre, so würde dem Publikum nur das Falsche vertraut gemacht: die Realisationsformen des Happening, des Fluxus und Agit pop sind nämlich gerade gegen das Ansinnen entstanden, daß erst das große Ganze (wie die Geschichte von Kaspar) ihnen einen Sinn zugestehen kann.
In Bremen ist das vor allem für die ZADEK-Inszenierung von 'Maß für Maß' zu konstatieren.
Die Theatermänner sind in ihrem Vorgehen weitgehend unkontrolliert, weil nur wenige wissen, was in anderen ästhetischen Praxisbereichen vorgeht. Die Bremer Theaterarbeit hinkt so auf die fatalste Weise hinter dem aktualen Stand der Künste her. Aus der Differenz zu ihnen schlägt sie Kapital, da die Besucher und die beteiligten Theatermänner der Sparte Kritik unzureichend informiert sind. Deshalb sind sie sehr schnell bereit, der Bremer Theaterarbeit das Prädikat 'avantgardistisch' zuzuerkennen.
6.2 Avantgarde und Geschichte
Avantgardist nennt sich jemand, der glaubt, dem allgemeinen Zugriff der gesellschaftlichen Institutionen nicht zu unterliegen, weil er sich vor diesen Institutionen und ihrem Selbstverständnis bewegt.
Avantgardist wird jemand genannt, der sich einverstanden erklärt, bloß außerhalb des allgemeinen Anspruchs gesellschaftlicher Arbeitsbedingungen sich aufzuhalten.
Die Bremer Theatermänner werden Avantgardisten genannt, und sie nennen sich Avantgardisten. Wenn also die Bremer Theatermänner einen Klassiker gegen die Publikumserwartungen inszenieren, glauben sie, mit dieser Auffassung vor dem Erwartungsniveau des Publikums zu liegen. Deshalb halten sie diese Auffassung für avantgardistisch. Es käme aber darauf an, die Erwartungen des Publikums gegenüber seinen eigenen Verhaltensweisen zu bestimmen. Das kann nämlich das Theater.
Wenn die Bremer Theatermänner einen Klassiker gegen den Strich bürsten, sagt man ihnen, sie bewiesen damit, daß auch an unseren Theatern etwas anderes zu machen sei als das Alte und Übliche: also etwas Avantgardistisches und Neues. Es käme aber darauf an zu zeigen, was denn dieses Übliche und Alte sei; das kann nämlich das Theater.
Die Bremer Theaterarbeit ist ihrem Ruf nach das Resultat unserer hoffnungslosen Lage im Produktionsbereich Theater. Die Kritik hat dieser Hoffnungslosigkeit Ausdruck gegeben und sich deshalb so enthusiastisch auf Bremen eingeschworen. Denn Bremen hat wenigstens teilweise ihren Hoffnungen entsprochen.
Was könnten die Bremer tun?
Sie können mit einiger Richtigkeit ein SHAKESPEARE-Stück heute nur spielen, wenn sie in der Vermittlungsform 'Theaterspielen' den Stand der historischen Bestimmungen zeigen wollen. Der aber wird angezeigt durch die Arbeiten der Historiker, der Soziologen, der Philosophen und der Theaterwissenschaftler.
SHAKESPEARE muß in der möglichst vollständigen Distanz zu dem gezeigt werden, was heute ein Bühnenstück sein kann: Er muß als das geschichtlich Andere und Aufgehobene gezeigt werden. Da für die feudale und bürgerliche Gesellschaft die entschiedensten Zeugnisse ihres Selbstverständnisses, wie auch ihres objektiven Standes, die Kunstwerke sind, gehen die Wissenschaften ja von Material wie der 'Komödie der Irrungen' aus, um etwas über die englische Gesellschaft des frühen 17. Jahrhunderts zu erfahren. Es braucht keine theatralische Transformation vorgenommen zu werden, wenn Theater die Kategorie des Geschichtlichen bewußt machen will. Bisher hat nur der Kostümfilm à la Hollywood den Bürgern diese Kategorie des Geschichtlichen erschlossen.
Es wird gesagt, daß so Theater zu spielen langweilig sei. Nun, die historische Differenz ist etwas ungemein Langweiliges, weil wir uns weigern, sie zu leisten. Wer sich amüsieren will, findet es langweilig, Bedingungen gesteilt zu bekommen. Von jeher hat man nur diejenigen künstlerischen Produktionen gelobt und sich an ihnen delektiert, die das Maß an Arbeit zu vertuschen bereit waren, das sie allerst ermöglicht hat. Man genoß die scheinbar gebändigte Willkür der Natur erster und zweiter Ordnung. Wenn das Publikum das Theater als Ort des Genießens verließ, war es so wenig imstande, Willkür durch Arbeit zu vernichten wie zuvor. Das Wesen notwendiger gesellschaftlicher Arbeit ist das Gegenteil von Vergnügen. Deshalb muß auch Theaterarbeit das Gegenteil von Vergnügen sein. Heute jedenfalls noch.
Wenn den Bremer Theatermännern dieser Hinweis zu blödsinnig vorkommt, will ich ihnen zu ihrer "Irrungen"-Inszenierung einen weniger blödsinnigen Hinweis geben:
Das Stück handelt von Verwicklungen, die sich aus der Zwillingsbruderschaft zweier Herren und zweier Diener ergeben. Die Diener und die Herren sind sich jeweils zum Verwechseln ähnlich. Für jedermann heute ist diese Willkür der Natur als Ausgangsmaterial für ein Stück inakzeptabel, ja eine Zumutung. Diese Zumutung zur Anmut zu stilisieren, mittels reizender Gags und lustiger Regieeinfalle, ist äußerst unreflektiert.
Aber: zu SHAKESPEAREs Zeiten begannen langsam die Individuation und das Problem der Identität im Bürgertum an Bedeutung zu gewinnen.
6.3 Regie-Hinweise
Die Verwechslungskomödien sind Ausdruck für die Unsicherheit der Bürger in ihrer sozialen Identität. Bis heute werden die Bürger durch die Frage nach ihrer sozialen Identität dominiert. Deshalb sitzen sie vor dem Fernsehgerät und konsumieren im zehnten Jahrgang Sendungen wie 'Was bin ich', 'Wer bin ich', 'Was kann ich', 'Sag die Wahrheit über dich' und so weiter. 'Komödie der Irrungen' hätte demnach die Willkür der Zwillingsähnlichkeit als Ausgangspunkt hinter sich zu lassen und statt dessen von der erzwungenen Identität von Herr und Knecht ausgehen müssen, wie sie heute die Ideologie der Sozialpartnerschaft präsentiert. Wenn Diener und Herren aufgrund ihrer Ununterscheidbarkeit die Bremer 'Irrungen'-Inszenierung bestimmt hätten, wären die Identitätskrisen der SHAKESPEARE-Figuren für die Theaterbürger anschaulich geworden. Die erleben täglich, daß Herren ihnen freundlich auf die Schulter klopfen und meinen, sie seien doch auch nichts anderes als die Arbeiter, könnten sich auch nur dreimal täglich sattessen, nur einmal sich umziehen pro Tag und hätten auch die Gewohnheit, Bier aus der Flasche zu trinken. In solcher erzwungenen Ununterscheidbarkeit hätte die Verwechslungskomödie der 'Irrungen' in Bremen inszeniert werden müssen. Dann hätte MINKS nicht komisch von sich zu geben brauchen, man habe "bürgerliche Verhaltensweisen darstellen" wollen.
Das vollkommen von der Inszenierung abgespaltene Programmheft beweist, die Bremer Theatermänner drücken sich "nur künstlerisch" aus, um sich Rationalisierungen für ihr Tun nach Belieben aus den Überlegungen der Kritik herauszuklauben.
Die Bremer Theatermänner erheben sich über ein klassisches Stück, um mit ihm als Material nach Gutdünken zu verfahren. Die 'Irrungen'-Inszenierung setzt die Willkür der Natur nur in der Willkür künstlerischen Ausdrucks fort.
Fazit: Die Bremer Theateravantgarde ist eine, deshalb ist sie widerlegt. Historische Bestimmtheit und damit gesellschaftlich wichtige Arbeit versucht sie nicht zu leisten, weil sie sich den Wissenschaften unterlegen sieht. Die Bremer Theatermänner sind nicht einmal in der Lage, diese Situation zu reflektieren. Die Theatermänner benutzen Klassiker zur Dokumentation eigenen künstlerischen Vermögens. Dadurch wird ihr Verfügungsanspruch über das Produktivmittel Theater problematisch.
Versuchen die Bremer Theatermänner, ohne Rückgriff und ohne Stütze aufs und am klassischen erwartungsgesicherten Material Theater zu machen, so erweisen sich ihre Aneignungstechniken gattungsfremden Materials als unzulänglich. Sie müssen klauen.
Soweit wir zu den etwas helleren Köpfen im Produktionsbereich Theater gehören, sind wir heute alle Bremer Theatermänner.
Im übrigen muß alles, was ich hier gesagt habe, falsch sein, weil ich von den Bremer Theatermännern nicht die Erlaubnis erhielt, mich ihres Produktivmittels zu bedienen. Sie haben mich zurückgewiesen. Dies ist die Rache. Ganz gewiß. Nachdem die bornierten sozialdemokratischen Kulturfunktionäre endlich dort HÜBNERs Vertrag bestätigt haben, kann mein Befreiungsvorschlag kaum mißverstanden werden. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Bremer Theateravantgarde mit ihrem Anspruch zu konfrontieren. Davor muß sie zu Recht Angst haben.
Wir haben Angst.