Eine Essenz

Das griechische Uchronie meint wörtlich „Nichtzeit“ oder „ohne Determination durch Zeit“ wie Utopie den „Nirgendort“ als das Nirgendwo kennzeichnet. Ich hoffe aber, vielfach dazu beigetragen zu haben, dass beiden Begriffen eine erweiterte Bedeutung zugestanden wird, denn das Nirgendwo der Utopie identifiziert ja schon der Volksmund als ein Überall. Ein Beispiel aus anderer Sphäre: Die Neubauarchitekturen des Hotelkonzerns Hilton sehen auf der ganzen Welt möglichst gleich aus, damit dem vielreisenden Gast die Orientierung in den Häusern durch deren Gleichförmigkeit erleichtert wird. Hiltons Hotelbauten sind also utopisch in dem Sinne, dass sie überall und damit nirgendwo Alleinstellungsmerkmale besitzen. Ähnlich hat die Volksweisheit das uchronische Niemals als „Jederzeit“ oder „Allzeit“ zu verstehen gelehrt. Uchronisch sind Konzepte wie das der Zeitlosigkeit, der unbefristeten Dauer oder der Ewigkeit. Ihren Sinn erfüllen Uchronie und Utopie als Ressourcen der Kritik an den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten. Dem rasanten Wechsel wird der uchronische Zustand der Dauer entgegengesetzt, zum Beispiel in Museen; und der ständigen Übertrumpfungsraserei von architektonischen Sonderformen bietet die Utopie adäquate Kritik durch die Widerlegung des Konzepts des „immer mehr, immer höher, immer besser“ oder des Wachstums als der einzigen Optimierungsstrategie.
Quelle

Meister des Zaubers der Entzauberung – Abschnitt in:

Kinomagie. Was geschah wirklich zwischen den Bildern?

Kinomagie

Buch · Erschienen: 01.01.2016 · Herausgeber: Kieninger, Ernst | Nekes, Werner

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