Eine Essenz

Spezifisch begabte Personen verwandeln sich in Medien der Vermittlung zwischen Lebenden und Toten oder Abwesenden und Anwesenden, in dem sie sich zu einer rauschhaften Selbstergriffenheit steigern können – ein Zustand eskatischer Vereinheitlichung von Inkorporation, Inkarnation und Repräsentation der Lebenswelt in einer Person. Das pflanzliche und tierische Leben muß ja immer, alltäglich, durch Verwandlung in Nahrung inkarniert werden, also in Fleisch und Blut übergehen, um so das Leben überhaupt zu erhalten; das Wissen über dieses Wandlungsgeschehen und vor allem über die dafür notwendigen Formierungen menschlicher Gemeinschaften müssen die Individuen verkörpern (es reicht nicht, einen Arzt oder Heiler zu spielen, sondern man muß auch die entsprechenden Fähigkeiten aus eigenem Vermögen und Wesen glaubhaft in Aktion setzten können) und schließlich gilt es nicht nur die in Reichweite anwesenden Bestandteile der Lebensumgebung wie Pflanzen, Menschen und Tiere zu inkarnieren und inkorporieren, sondern die Abwesenden, an anderen Orten Vermuteten, in Zukunft erreichbaren oder für immer ins Totenreich entschwundenen noch in die Erfahrung einzubeziehen, das heißt das Nichtanwesende, nicht unmittelbar Erfahrbare muß symbolisch repräsentiert werden.
Quelle

Die Collage als Medium des Architekturentwurfs – Abschnitt in:

Thomas Schriefers: Wechselwirkungen

Ausstellungskatalog · Erschienen: 2005 · Herausgeber: Burkhard Leismann

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