Kunstdogmatik
Die Dispute um den historischen Stellenwert der nationalsozialistischen Ära, in die wir in diesem Jahr verstrickt waren und im nächsten Jahr, der 50. Wiederkehr der Kampagne „Entartete Kunst“, weiter verstrickt sein werden, umgehen die zwingende Einsicht, daß nicht erst die Nazis, sondern weit früher die Künstler selbst in aller Radikalität den Kampf der Schönheit gegen die Entartung, den Kampf der absoluten Kunst gegen situationsadäquaten Realismus geführt haben. Was an den Nazis dran war, kommt uns zu Bewußtsein, wenn wir erkennen, daß sie überhaupt keine eigenständige Position bezogen haben; sie erhoben nur deutsche Kunstdogmatiken in den Rang gesellschaftspolitischer Handlungsanleitungen. Unsere Dispute werden sich erst lohnen, wenn wir zu erkennen vermögen, daß die von den Nazis wortwörtlich genommene Kunstdogmatik von den „geächteten„ Künstlern der Moderne getragen wurde.
Aus: Wiederkehr des Verdrängten. In: Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Die Merzahl der Betrachter geht mit den Kunstwerken wie mit der Pornographie um. Die Wirkung ist entscheidend, nicht die Bildkunst.
Aus: Die nackten Formen – oder Pornographie. In: Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Der Verfall der Institution Universität ist auf die Korruption ihrer Mitglieder zurückzuführen.
Aus: Studio Line. Die Universität als kulturferner Ort. In: Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Merkwürdig: Die Verfechter der volkstümlichen Musik führen immer wieder an, daß deren Texte und Melodien für wenige Stunden vom Druck der Realität entlasten, daß sie Erholung und Gemütsruhe in der stressigen Alltagswelt mit all ihren Problemen böten. So ähnlich beschreiben auch die Süchtigen, warum sie Raushmittel nehmen.
Aus: Volksverdummung. In: Der Barbar als Kulturheld. Köln 2002.
Bayreuth statt Holywood
Das Prinzip Hollywood wird geboren, d.h. ein Werk ist nur noch insofern vorhanden, als es Wirkung erzielt. Schon Nietzsche hatte diese Holywood-Charakteristik an Wagner richtig eingeschätzt: schiere Oberflächlichkeit, schiere Banalität, die Unmöglichkeit, sich noch von der Oberfläche oder der Erscheinung her auf das Wesen oder in die Tiefe bewegen zu können – es gibt keine Tiefe, kein Wesen, sondern nur die Wirkung.
Aus: Über musikalische Zeitgenossenschaft. In: MusikTexte. Magazin 1996.
Malschweine
Nun malen sie wieder, nun wird endlich wieder aus dem Bauch und aus dem Urin heraus gewerkelt, nicht mehr aus dem Kopf, denn es kommt dem allgemeinen Vorurteil entgegen, daß Vollblutkünstler ist, wessen Herz überläuft! Man ist glücklich, in den Künstlern wieder Malschweine sehen zu können, unintellektuelle Herumwühler in den Wonnen der Gewöhnlichkeit, in ihnen keine Kritiker mehr sehen zu müssen, die uns Ambivalenzen des bildsprachlichen Ausdrucks aufzwingen und ständig Ambiguitäten ins Spiel bringen.
Aus: Von Männern, Herren und Rambos aus der Kunst. In: Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Unsere Sender sind von x-beliebigen anderen in der Welt nicht mehr zu unterscheiden. Dazu darf man wirklich gratulieren, denn niemand von uns hätte diese Leistung für möglich gehalten. Und da sage einer noch, Politik sei die Kunst des Möglichen.
Aus: Ein Jubiläum zum Schreien. In: Der Barbar als Kulturheld. Köln 2002.
Schwatzen
Philosophie ist außerhalb der Kritik der Wahrheit völlig sinnlos. Das kann man gleich den Theologen überlassen. Wer nicht schwatzen will, sondern die Wahrheit sagen will, ist schon im latenten Zug des Totalitarismus drin.
Aus: Wer nicht über sich selbst spricht, hat nichts zu sagen. In: Der Barbar als Kulturheld. Köln 2002.
Der Durchschnittsbürger will nun einmal seinem eigenen Wankelmut, seiner kleinbürgerlichen Veränderungsangst die Entschlossenheit der Führer entgegengesetzt wissen. Wo sich die Entschlossenheit aber als die von Hasadeuren erkennen lässt, verweigert der Bürger Konsequenzen aus dieser Einsicht, weil es ihm unerträglich ist, sich selbst als Spielball des Zufalls verstehen zu müssen.
Aus: Einleitung zur Vorlesung von Nikolaus Sombart: Deutsche Männer und ihre Feinde. Uni Wuppertal, 1981.
Büchersendungen im Fernsehen sind ungefähr so glaubwürdig und instruktib wie Fahrschulen für Blinde und Diätvorschriften für Hungernde.
Aus: Ein Jubiläum zum Schreien. In: Der Barbar als Kulturheld. Köln 2002.
Totschlägerspaß
Wer den Spaß hat, braucht für die Angst nicht zu sorgen. Sie sitzt ihm schon im Nacken. Jemandem viel Spaß zu wünschen, heißt also nichts anderes, als zu wollen, daß ihn der Teufel hole. Deshalb kommt die Empfehlung, viel Spaß zu haben, einem versuchten Totschlag gleich. Aber da fängt der Spaß erst ja so richtig an.
Aus: Zeitgeist und Spaß. Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Damals zitterten wir vor aggressiver Erregung und hofften auf Besserung. Heute hoffen wir, daß bestenfalls alles so bleibt, wie es gerade ist.
Aus: Zeitgeist und Spaß. Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Die Erfinder, Techniker, Welteroberer, Machtspieler des angeblich so rationalen 20.Jahrhunderts sind Heilsucher und Weltenretter, zweifelhafte Figuren mit unwarscheinlichen Macken und phantastischen Visionen; sie sind als Künstler und Künder wie damals Kämpfer gegen Windmühlen des Fundamentalismus in allesn Sphären des Alltagslebens, denen die abendnahe Bequemlichkeit nur von Geistersehern zurückerobert werden kann.
Aus der Diskussion: Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Zürich 1983.
Fernsehen war und ist vor allem diese Revolution der Zeiterfahrung. Das Leben ist jetzt, das Leben ist heute, ohne Voraussetzung in der Vergangenheit, ohne Zielpunkt in der Zukunft. Das sagt vor allem Fernsehen als Werbung: Alles ist da ohne Probleme, wie von Zauberhand, und über alles können wir verfügen, jetzt, sofort, ohne zögern, ohne lernen, ohne warten. Nogger dir einen! Lang zu, mach was du willst, die Bedingungen werden nicht gestellt. Also zum Beispiel die Bedingung, dass man Geld erst verdienen muß, bevor man es für das schöne Werbeglitzern ausgeben kann.
aus: Jubiläum zum Schreien: In: Der Barbar als Kulturheld. Köln 2002.
Mies aus Verantwortungslosigkeit
Jeder sollte wissen, vor allem jeder Künstler: Wenn er sich mit ökonomischer, politischer oder sozialer Macht einlässt, hat er deren Schicksal zu teilen. Mit dem Bekenntnis, „meine Ehre heißt Reue“ ist es nicht getan. Aber nicht mal zu diesem Bekenntnis konnten sich Künstler aufraffen, die aus Mangel an eigenständigem konzeptuellem Denken und Formkraft die Wesensbestimmungen ihrer Werke der totalitären Macht überlassen. So mies waren sie.
Aus: Der Teufel steckt zwar im Detail, Satan aber im System der Ernstfalldenker. In: Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.
Die Desaster, die Ästhetiker, Philosophen, Kunstwissenschaftler herbeiführen, werden leider noch nicht im Verkehrsfunk gemeldet.
Bazon Brock als Discjockey, Radioessay Heißenbüttel, SDR, 1969
Duales Denken - Deutsch Denken
Die uns beherrschende Logik unserer natürlichen Dummheit legt den Dualismus von gläubig –ungläubig, treu – untreu oder freundlich – feindlich nahe als simpelste Form der Attributierung. Sie besteht nur auf einer Operation, nämlich zuzustimmen oder abzulehnen, ja oder nein zu sagen – und mit jeder Zustimmung wird die Fiktion dessen gesetzt, was man folgerichtig ablehnen müsse. Dieses Verfahren beherrscht heute die Steuerung technischer Prozesse, die ja auf der Binarität von Null und Eins, von Impuls und Nichtimpuls beruht. Aus dieser Analogie scheint sich auch die Tatsache zu erklären, daß in Deutschland höchste technische Funktionalität mit kulturellem Fundamentalismus vereinbar war.
Aus dem Vortrag: Der Barbar als Kulturheld. Filmhochschule Ludwigsburg 1992.