Das Alte ist das längst bis zum Überdruß Vertraute; das Alte ist so konventionell oder redundant geworden, daß es uns kaum noch auffällt und wir es demzufolge auch kaum noch wahrnehmen. Man hat sich angewöhnt, das Neue als das Moderne anzusprechen – und wer kann sich leisten, nicht modern sein zu wollen oder nicht als modern zu gelten.
Aus: Wer neu sein will, muß das Alte ehren.
Versicherung
Denn nur solches Neues zwingt uns überhaupt von den Traditionen zu sprechen, ja sie aus Angst vor dem Neuen immer erneut erst zu bilden, und zwar als in der jeweiligen Gegenwart wirksame Kräfte.
Aus: Problemhorizonte. In: Kritische Theorie und Kultur. Berlin 1989.
Wenn mehr oder weniger zu allen Zeiten mit der Unterscheidung von neu und alt, von modern und traditionell gearbeitet wurde, kann die Forderung nach Modernität und Neuheit nicht eine spezifische Kennzeichnung unserer Moderne sein. Wir haben es vielmehr mit allen Menschen eigentümlichen Formen der Wahrnehmung zu tun. Immer schon waren Menschen mit neuen Situationen konfrontiert, die sie als fremd und deshalb bedrohlich einschätzen mußten. Heute wird das Neue z.B. als künstlerische Avantgarde geradezu mit dem befremdlich Unverständlichen gleichgesetzt, das verunsichert und Angst macht. Aber wer die Unsicherheit und Angst aushält, verschafft sich einen Vorteil gegenüber denen, die die Flucht ergreifen oder riskieren im Kampf gegen das Fremde beschädigt zu werden.
Aus: Uchronische Moderne. Zeitform der Dauer. In: Formen interaktiver Medienkunst. Berlin 2001.
Das Publikum verlangt von den Künstlern, daß sie innovativ seien. Die Kreativität der Künstler müsse sich darin beweisen, etwas Neues zu schaffen. Wie aber soll man Kunstwerke oder Leistungen in anderen Bereichen als neu, gar als völlig neu erkennen können, wenn man sich dabei nicht auf das Alte bezieht?
Aus: Wer neu sein will, muß das Alte ehren.
Die Ahnung der Alten
Als freigesetzte Senioren kommen gerade sie in Frage, um ein professionalisiertes Publikum zu bilden – mithin sind sie die eigentliche Hoffnung für Künstler, die ein solches Publikum brauchen: Leute, die ihnen Fragen stellen, die Forderungen vorbringen, die konstruktiv kritisieren usf.
Aus dem Ausstellungskatalog: Die Macht des Alters. Köln 1998.
Wenn prinzipiell gilt, daß das Neue nur mit bezug auf das Alte zu bestimmen sei, dann gilt in der Kunst, daß die Leistungen der Neuerer, der Avantgardisten, darin beurteilbar sind, in welchem Maße sie uns veranlassen, das vermeintlich Alte, Bekannte, Traditionelle auf neue Weise zu sehen.
ebd.
Ein Blick in die Historie lehrt, daß es im Grunde noch nie einen nennenswerten Einfluss der Jungen auf die Zukunft gegeben hat, weil ihnen naturgemäß die wichtige Erfahrung des Scheiterns fehlt, eine Erfahrung, aus der man Kontrolle und Entscheidungsfähigkeit herleiten kann.
ebd.