Alles, was wir bisher faschistischen, totalitären oder fundamentalistischen Zwangsregimen als Definition des Bösen zuordnen konnten, erschaffen wir aus unserer demokratischen Mitte, indem wir es einfach als Repräsentant des demokratisch guten, des westlich aufgeklärten Fortschrittsprinzips ausgeben. Wie aber soll man ohne Gnosis oder wenigstens theologisch begründete Dialektik akzeptieren können, daß jetzt nicht die bösen Weltverderber, sondern die guten Demokratien Präventivkriege führen, Schutzhaft einführen, Vertreibung als Pazifizierungsmaßnahme legitimieren, Euthanasie zulassen, Eugenik zum Paradefeld der Biowissenschaften ernennen, extra-legale Tötung für unumgänglich halten, Diskriminierung als nunmehr positive Affirmation feiern, die Zwangsbeschallung von Restaurants, Kaufhäusern, Flugzeugen, Wartezimmern als verkaufsfördernd für selbstverständlich halten und das Beharren auf kultureller Identität kontrafaktisch jedem kleinen Grüppchen abverlangen, als wären ethnische, rassische, sprachliche, religiöse, also kulturelle Zugehörigkeiten wieder wie einst Selbstbestimmungsgrößen mit offiziellem Parteiprogrammstatus? Wetten dass? Ja, was? In jedem Fall fröhliche Urständ für Gnostiker als Priester der Atheisten und Agnostiker als deren Judas: Denn Judas ist stets der frömmste.
Quelle
Vom Nutzen der gnostischen Unheilsverkündungen. – Abschnitt in:
Tarnen und Täuschen
Buch · Erschienen: 01.01.2010 · Herausgeber: Christian Bauer
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Mathias Bergmann
21.06.2019
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