Eine Essenz

Da sich mit der allgemeinen Verfügung über Darstellungsmedien nicht nur die Vielfalt der Aussagenangebote vergrößert, sondern auch der Druck zur Auswahl, um überhaupt zur Sinnhaftigkeit von Zusammenhängen zu gelangen, wandelt sich das Verhältnis von Forderung nach Konstanz zu gleichzeitiger Forderung nach permanenter Anpassung an Veränderungen zur grundsätzlichen Konstellation von evidenzgestützter Sinnhaftigkeit in je unterschiedlichen Aussagenzusammenhängen. Für derartige permanente Metaphorisierungen im Ebenenwechsel stehen in den Künsten die Präsentationsformen Karikatur, Parodie, Satire, Burleske und Groteske, Pataphysika, Dadaeske, surrealistische wie Nonsensverfahren. Mit den Protagonisten dieser Kontrolle durch Dekonstruktion Fritz Mauthner, Martin Heidegger, Jacques Derrida, und zuletzt Paul Feyerabend stellt sich das Vertrauen zu systemspezifischen Ikonographien erst wieder ein, wenn sie sich durch ihre eigene Widerlegung in besagten Dekonstruktionsformen als stark erweisen, als evidenzerzeugend durch Evidenzkritik, als glaubwürdig kraft des Zweifels, als vorurteilskontrolliert durch Offenlegung von Vorteilen, Interessenlagen, Selbstwiderspruch. Der Richter, der seine Vorurteile gegen bestimmte Verhaltensformen, erst recht die vor Gericht gezeigten, preisgibt, verdient Vertrauen; der Richter, der sich nur dem Recht und Gesetz verpflichtet behauptet, gilt als Opfer unaufgeklärter Selbsttäuschung.
Quelle

Antizipation – Abschnitt in:

Rechnen mit dem Scheitern: Strategien in ungewissen Zeiten

Rechnen mit dem Scheitern: Strategien in ungewissen Zeiten

Buch · Erschienen: 01.01.2014 · Herausgeber: Flick, Corinne-Michaela

Hat diese Textstelle markiert:

Bitte melden Sie sich an, um Essenzen zu markieren oder zu bearbeiten.