Eine Essenz

Bewusstsein entstand aus der Notwendigkeit, mit den Resultaten von Handlungen rechnen zu können, ohne sie ausführen zu müssen. Denn das einmal Getane wäre nicht lehrreich, wenn man es ohne vorausgehende Bewertung der Resultate immer erneut wiederholen müsste. Unter allen Gesichtspunkten ist es höchst sinnvoll, Lernen gerade auf Antizipation statt auf Realvollzug des Handelns zu stützen, denn learning by dying ist eine wenig versprechende Aktionsform (siehe Bazon Brock, „Erinnerungen an das Leben als Baustelle“, mit den Positionen learning by crying wie Babys, learning by trying wie Kinder, learning by buying wie Konsumenten, learning by trying wie Ingenieure, learning by sighing wie Patienten und learning by dying wie Philosophen, also durch Gestorbensein unsterblich (1)). Noch in unserem Begriff des Verhaltens steckt der Appell, Halt zu machen vor der realen Erfahrung, indem man sich die Konsequenzen bewusst macht und damit eine sinnvolle Haltung einnehmen kann. Wir lernen auf der Ebene der bewussten Antizipation und nicht auf der viel zu riskanten Ebene der Realerfahrung. Aus dieser Fähigkeit generieren Individuen die Autorität von Persönlichkeit als Autoren, und das heißt, aus ihrer Autorschaft von Antizipationen, von Wünschen, Vorstellungen und Erinnerungen. Sie eröffnen gegenüber der sehr beschränkten Realerfahrung den Horizont der Möglichkeiten, vor allem den der Utopie – in dem Sinne, dass diese Möglichkeiten Kriterien zur Kritik an den grausamen Wahrheiten der Natur- und Lebensgesetze darstellen.
Quelle

Nur wer mehr ist als er selbst, ist er – Abschnitt in:

Peter Zizka. Egokollektiv

Peter Zizka. Egokollektiv

Buch · Erschienen: 2017 · Herausgeber: Duque y González | Wagner K, Matthias

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